Auf der kahlen Birkenspitze
sitzen Tauben
drei
halten Ausschau
nach den grauen Wolken
beklagen müde
die Wetterprognosen
spüren schon
den aufkommenden
Wind
im Gefieder
Christine Ruppert © 2023
Samenkorn sein
Samenkorn sein
In der dunklen Erde
die Wärme der Sonne
und die Feuchte des Regens spüren
Aufbrechen
Winzige grüne Blätter
ins Freie schieben
Der lebendigen Kraft trauen
die mich Blüte und Baum sein lässt
die mich verwandelt
über alle Hoffnung hinaus
Christine Ruppert © 2023
Der Sommer kommt wieder
In meinen Zweifel
flüstert leise die Gewissheit
Der Sommer
kommt wieder
Er wartet
verborgen
auf der anderen Seite
des Jahres
Was nun grau ist
wird grün werden
Was nun kahl ist
wird blühen
Was jetzt karg scheint
wird überströmen von Fülle
Die Kraft
schläft nur
Christine Ruppert © 2023
Weihnachtsgedicht
Ich bin die Nacht
tränenfinster
vor Schmerzen sprachlos
angstgelähmt
stockt mir der Atem
Der Stall bin ich
verletzlich
kalt
fährt der Wind
des Lebens
durch meine
lose Bretterwand
VERWANDLE MICH
LICHT
mach mich
sternenhell
traumerfüllt
lass mich
Herberge sein
für die Geburt
der Hoffnung
Christine Ruppert © 2019
Gartengebet
Tief eintauchen ins Jetzt
wie in einen stillen See
Ich atme in vollen Zügen
den Duft von warmem Moos und reifen Äpfeln
lausche der Gegenwart
Rosenrot wispert Sonnenblume lacht
alte Bäume grüßen mich
und über allen Wegen
das Licht
ach
das Licht
grüngolden
zwischen allen Zweigen
leuchet
bis auf den Grund
dieser kostbaren Stunde
Septemberlicht
Christine Ruppert © 2021
Junitag
Auf der Wiese liegen
den Blick nach oben
in einen Himmel
voll Blau
Zärtlich beschattet
von Buchenästen
Gehalten
vom Mutterleib Erde
Gewiegt
in Sommerwärme
und Vogelgesang
Leises Rauschen
Der Geruch
nach warmem Gras
Unbemerkt
erreicht das Jahr
den Scheitelpunkt
Alles ist grün
und gut
Christine Ruppert © 2015
Märzgedicht
Später am Tag
sitzen wir
auf der Parkbank
trocknen unsere
angsttriefenden Herzen
in der Frühlingssonne
Ums Eck pfeift immer noch
der Winterwind
In den kahlen Zweigen
halten wir Ausschau
nach Hoffnungsgrün
Christine Ruppert © 2021
Nachtlichter
Die Häuser
leuchten von innen
aus Fenstern
wie Transparentpapier
Schneeränder
reflektieren weiß
das Licht der Gaslaternen
Oben
schimmert
unbemerkt
der Mond
Christine Ruppert © 2021
Barbara
Einen Zweig ins
Wasser stellen
Mitten in der Kahlheit
an die Möglichkeit
des Blühens glauben
Freude hervorlocken
Christine Ruppert © 2017
Novemberabend
Ungläubig
der Blick aus dem Fenster
der Blick auf die Uhr
Jedes Jahr wieder
überrascht
die frühe Dunkelheit
Es gilt
sich zu wappnen
Ausschau zu halten
nach Lichtschimmern
Ich säe meine Wunschsaat ein
in die Furchen der Nacht
nähre die Hoffnungskeime
mit Sehnsucht
Erinnerungen Lichtgedanken
erwarte das Wunder
den Winter zu bestehen
Christine Ruppert © 2021