Jetzt geht der Herbst
mit wehenden Gewändern
Seine Festkleider
leuchtend gelb und rot
verschenkt er
Blatt für Blatt
an den Wind
gibt ihm
sein letztes Hemd
Am Ende
findet sich
im Rinnstein
Gold in Fülle
Christine Ruppert © 2023
Sturm von innen betrachtet
Malvenblätter wehen im Wind
wie umgestülpte Regenschirme
letzte Dahlien beugen sich
gefährlich weit über die Brüstung
Grünes und Verblühtes
wirbelt der Wind durcheinander
fängt sich im losgerissenen Sonnensegel
Der ganze Balkon
scheint im Aufbruch begriffen
eilig den letzten Zug zu erreichen
Richtung Süden
bevor der Winter kommt
Christine Ruppert © 2023
Gartengebet
Tief eintauchen ins Jetzt
wie in einen stillen See
Ich atme in vollen Zügen
den Duft von warmem Moos und reifen Äpfeln
lausche der Gegenwart
Rosenrot wispert Sonnenblume lacht
alte Bäume grüßen mich
und über allen Wegen
das Licht
ach
das Licht
grüngolden
zwischen allen Zweigen
leuchet
bis auf den Grund
dieser kostbaren Stunde
Septemberlicht
Christine Ruppert © 2021
Novemberabend
Ungläubig
der Blick aus dem Fenster
der Blick auf die Uhr
Jedes Jahr wieder
überrascht
die frühe Dunkelheit
Es gilt
sich zu wappnen
Ausschau zu halten
nach Lichtschimmern
Ich säe meine Wunschsaat ein
in die Furchen der Nacht
nähre die Hoffnungskeime
mit Sehnsucht
Erinnerungen Lichtgedanken
erwarte das Wunder
den Winter zu bestehen
Christine Ruppert © 2021
Herbarium
Gedicht aus der Reihe „Erinnerung“
I
Herbsterinnerungen
haltbar
wie gepresste Blätter
zwischen den Seiten
meiner Jahre
II
Raschelnd und duftend
der große Blätterhaufen
meiner Kindheit
Gefüllt die Hände
mit buntem Laub
und glänzenden Kastanien
Die Freude
des Suchens und Findens
Fallende Blätter
an einem windstillen Tag
Christine Ruppert © 2019
Novemberwonne
Gib mir deine graue Decke
November
Ich zieh sie mir über
den Kopf
Ich grabe mich ein in deine
weichen Federn
genieße die Ruhe die
Dunkelheit
Endlich einmal genug
genug getan genug
gewagt genug geleistet
Mein Körper schreit meine Seele
ruft nach Rast
Gib mir deine graue
Decke November Ich zieh
sie mir über den Kopf
Ich krieche ins Weiche undWarme
Ich lasse
los
–
und seufze
Ach
endlich
Christine Ruppert © 2018
Spät im Jahr
Sommerlich
gekleidete Menschen
gehen auf staubigen
Oktoberwegen
Dürre Blätter rascheln
Hungrige Vögel zanken sich
im trockenen Gras
Eicheln fallen
mit hartem Laut
Der Sonnenstand
zeigt die Jahreszeit
Schräge Lichtstrahlen
tauchen
gefärbte Äste
in überirdischen Glanz
Christine Ruppert
Der Herbst wird bunt
Noch
ist Sommer
Noch
leuchtet am Mittag
die Sonne warm
vom Himmel
wolkenlos
Ich bade
im Blauen
genieße
die glitzernden Wellen
die Farben von
Löwenmaul und Lavendel
Plötzlich
weht mir ein kühlerer
Windstoß
ein buntes Blatt
in meinen Badeschuh
Rot gelb und grün
lacht es mich an
und
sagt mir fröhlich:
Diesmal wird der Herbst
bunt
Christine Ruppert