Auf der Wiese liegen
den Blick nach oben
in einen Himmel
voll Blau
Zärtlich beschattet
von Buchenästen
Gehalten
vom Mutterleib Erde
Gewiegt
in Sommerwärme
und Vogelgesang
Leises Rauschen
Der Geruch
nach warmem Gras
Unbemerkt
erreicht das Jahr
den Scheitelpunkt
Alles ist grün
und gut
Christine Ruppert © 2015
Mühsamer Tag
Alle Ecken spitz
alle Kanten scharf
ein Tag wie zerbrochenes Glas
Schneidend die Worte
das Schweigen der Anderen
Verirrt im Labyrinth
meines Zorns
Am Abend aber
tönt Amselgesang
legt sich
ein milder goldener Schimmer
auf mein Herz
Die Tagessplitter
glänzen
versöhnlich
In aller Vergeblichkeit
warst Du mir nah
Christine Ruppert © 2022
Ostermorgen
Joh. 20, 11-18
Manchmal
stehe ich wie gebannt
und starre auf meine unerfüllten
Wünsche
beweine meine begrabenen
Hoffnungen
nähre den Zorn auf das
schwer Erträgliche
Was suchst du?
Die Frage stört mich
Unwillig wende ich mich
um
und erkenne Dich nicht
Da rufst Du mich
am hellen Tag
bei meinem Namen
Ein Staunen
erblüht
in mir
ein Glück
strahlt auf
Herzwärme breitet sich
um mich
wie ein Mantel
…
Ich spüre
Dein Licht
in mir
wachsen
Christine Ruppert © 2018
Nicht allein
2. Mose 14
Noch immer steht das Meer
wie eine Mauer
noch sind die schlimmsten
Katastrophen
nur in meinem Kopf
Tagsüber ist der Weg
oft hell
Ich gehe sicher
fast fröhlich
Gegen Abend aber
fluten die Nachrichten heran
der Boden wird grundlos
die Angstpegel steigen
Dann tröstet mich
Dein Lied
Du selbst hältst
die Verfolger auf Abstand
trägst mich ans rettende
Ufer des Schlafs
und weckst mich
jeden Morgen neu
Christine Ruppert © 2022
Barbara
Einen Zweig ins
Wasser stellen
Mitten in der Kahlheit
an die Möglichkeit
des Blühens glauben
Freude hervorlocken
Christine Ruppert © 2017
Novemberabend
Ungläubig
der Blick aus dem Fenster
der Blick auf die Uhr
Jedes Jahr wieder
überrascht
die frühe Dunkelheit
Es gilt
sich zu wappnen
Ausschau zu halten
nach Lichtschimmern
Ich säe meine Wunschsaat ein
in die Furchen der Nacht
nähre die Hoffnungskeime
mit Sehnsucht
Erinnerungen Lichtgedanken
erwarte das Wunder
den Winter zu bestehen
Christine Ruppert © 2021
Bergungen
Hüll mich ein
in ein blaues Tuch aus Samt
zärtlich weich und warm
Schenk mir
Worte wie Umarmungen
Buchverstecke
ein Lagerfeuer aus Gesang
Öffne mein Herz
dem Trost einer Freundin
der Stille des Abends
der Nähe des Geliebten
Birg mich
Gott
in deinen Vaterarmen
an deinem Mutterherzen
unter deinen Flügeln
Hüll mich ein
umgib mich ganz
mit deiner Liebe
Christine Ruppert © 2015
Zeichen
Zeichen
durch die Wand
Ein leises Klopfen
warmer Herzen
Briefe
von Exil zu Exil
Gespräche am Telefon
vertraute Gesichter
auf dem Bildschirm
ein digitales Aufleuchten
von Gegenwart
Kleine Gesten
Geschenke
durchdringen
Mauerrisse
Sonnenstrahlen
Ihr seid noch da
Freunde
nach diesem langen Jahr
Uns verbindet
der Schmerz
des Vermissens
Leerstelle
ein Versprechen
auf Zukunft hin
Christine Ruppert © 2021
Passion 21
Wieder einmal
auch in diesem Jahr
keimt die Hoffnung auf
dass etwas anders wird
dass dein Kreuz
dein leeres Grab
Gott
die Wende bringt
Linderung
unseren Seelenwunden
nach einem düsteren Jahr
Heilung
unseren schmerzenden Körpern
Aufatmen
den Gefolterten
Liebe
den von Hass zerfressenen Herzen
Den Gefangenen
Freiheit
Unseren Toten
Licht und Auferstehung
Unserer hungernden Sehnsucht
die Umarmung des Lebens
Christine Ruppert © 2021
Das Geheimnis in mir
Die (Selbst-)
Bilder ablegen
schmerzlich
Immer wieder
annehmen
was ist
Kahlheit aushalten
warten
lauschen
dem Licht
nachspüren
das Obdach
sucht
Mein Zerbrochenes
kann
Herberge
werden
Christine Ruppert © 2020