Ich sehe sie

Gedicht aus der Reihe „Schwestern“

Ich sehe sie
bei meinem Parkspaziergang
die ältere Dame
in abgetragener Kleidung
bepackt
mit vielen Taschen

In sich gekehrt
und zugleich
konzentriert
sucht ihr Blick
nach Altglas
in den Müllkörben am Wegrand

Ich ahne Verlorenheit
Lebensgeschichte
verborgene Kraft

Sie schaut mich nicht an
Wie kann ich
ihre Nächste sein?

Ich sehe sie
schenke ihr
ein Stück Herz
im Vorbeigehen
Die offene Frage
bleibt

Christine Ruppert © 2019

Wahre Freundschaft

Gedicht aus der Reihe „Schwestern“

Weil ich mich
dir
nicht erklären muss

Weil deine Fragen
voll echtem
zärtlichem Interesse sind

Weil du
Ermutigung
nie mit Druck machen
verwechselst

Weil du
meine Stärken
zur Sprache bringst

Weil du
über meine Entgleisungen
herzlich lachen kannst
Darum

weil deine Nähe
mich froh macht

Christine Ruppert © 2018

Neuerscheinungen

Liebe Leser*innen!
Im Verlag am Eschbach sind einige neue Titel erschienen, die auch Gedichte von mir enthalten. Unter der Rubrik „Veröffentlichungen“ gibt es dazu Näheres.
Besonders möchte ich auf das Jahreslesebuch „Bunt wie ein Vogel“ hinweisen. Es ist wunderschön gestaltet und enthält für jeden Tag des Jahres einen bereichernden Text, darunter auch vier meiner Gedichte.

Gedichtreihe „Schwestern“

Liebe Leser*innen!
In den kommenden Wochen möchte ich auf lyrikfenster.de einige Gedichte aus der Reihe „Schwestern“ vorstellen. Die Texte erzählen von unterschiedlichen Frauen in Alltagssituationen, die etwas in mir bewegt oder angerührt haben.

Besuch

Du sprichst
und sprichst und sprichst
Du sprichst
mich müde
Du bist präsent
intelligent   hast zu allem
eine Meinung und vertrittst sie
vehement
Du fragst mich
nichts
Als du gehst
bin ich sehr
müde
und überfüllt mit deinen
Wörtern
Du warst zu Besuch
aber
ich
bin dir nicht begegnet

Christine Ruppert © 2017

Kämpferin

Blass und wehrlos
dein Gesicht
im Spiegel
am Morgen

Du malst
dir Kriegszeichen
auf die Haut
streifst deine
schwarze Alltagsrüstung
über die verletzlichen Stellen
fährst deine
roten Krallen aus
und kämmst
die Haare
straff nach hinten

So festgezurrt
und eingehaust
sind deine Ängste
erträglich

Hart
schlagen
deine Absätze
auf den Gehweg

Bewaffnet mit
dir selbst
beginnst du den Tag

Christine Ruppert © 2018

Über sie hinaus

Sie steht auf der Kanzel

Wortgewandt
spricht sie
Aus alten Texten
webt sie
ein HeuteWort
Den tieferen Sinn
legt sie
tröstend
mir ans Herz

Verschlossenes
öffnet sich
Wege tun sich auf

Sie steht auf der Kanzel
Sie weist
über sich hinaus

Christine Ruppert © 2018

Juli

Am See
will ich meine Wurzeln
in den Boden senken
und fest stehen
Bunte Steine wie Muscheln
zwischen meinen Füßen
In der Brandung spielen kleine Fische

Am See
will ich mich niederlassen
da sein
nackt sein
ich sein
und den schwebenden Segeln
nachträumen
in der Weite

Dem See
will ich näher kommen
durch die kühlen Wellen am Ufer laufen
meine nackten Zehen
in den warmen Kies graben

Am See
kann ich
Verwandlung erleben
in der GEGENWART

Christine Ruppert © 2013

Neuerscheinung

Mini-Präsentbuch „Hoffnungslichter“, hg.v. Kathrin Clausing, Verlag am Eschbach 2019. ISBN 978-3-86917-738-0

Liebe Leser*innen!
Ich möchte auf eine Neuerscheinung aufmerksam machen.
Soeben wurde mein Gedicht „Wunder“ in der neuen Anthologie „Hoffnungslichter“ des Verlags am Eschbach veröffentlicht. Es ist ein sehr ansprechend gestaltetes kleines Geschenkbüchlein mit einer schönen Textauswahl zum Thema Hoffnung geworden. Ich freue mich, dass ich ein Gedicht dazu beitragen konnte!

Flügel

Zwischen Tränen und Trümmern
suche ich nach meinen Flügeln
Sie wachsen mir aus
meinen schmerzenden Schultern

Tröstlich streicheln die Federn
meine verletzliche Haut
Ich spüre Schutz und Stärke im Rücken
Meine Last wird leicht

Wenn ich die Augen schließe
tragen sie mich
durch mondhelle Sommernächte
an den Horizont der Sehnsucht


Christine Ruppert © 2015